Sonntag, Februar 08, 2009

Realitätsverlust?

Ich habe seit langem nichts mehr geblogt. Ganz einfach, weil ich nicht wusste, was ich schreiben sollte. Der Januar lief verhältnismäßig schlecht. Der Februar hatte zu Beginn die selbe Tendenz gezeigt. Ich hinke dem EV hinterher und zwar deutlich.
Aber all das ist nicht wirklich von Belang!
Ich habe viele Stunden darüber nach gegrübelt, was mich eigentlich so schlecht aussehen lässt. Warum ich häufiger Hände verliere, als nach Wahrscheinlichkeit üblich. Warum mein Flushdraw auch nach dem achten Versuch nicht kommt. Etc.
Nun weiß ich, dass auch das nicht wirklich wichtig ist!

Hold´em ist im Grunde doch ein total einfaches Spiel. Du bekommst 2 Karten und dann werden noch 5 aufgedeckt. Dazwischen entscheiden wir, ob wir setzen oder aussteigen. Und wenn wir an Odds und Outs glauben und daran das sich Longterm alles ausgleicht, dann brauchen wir nicht mehr viel über Varianzen oder Wahrscheinlichkeiten nachdenken. Es ist wie es ist.
Unlängst habe ich an einem Tisch in den Chat geschrieben: „Ich bekomme einfach keine Karten“ und meinte damit natürlich, keine, mit denen ich etwas anfangen könnte. Zur Antwort bekam ich: „Komisch, ich bekomme jede Runde 2“
So lapidar dahin gesagt, bringt es dennoch genau auf den Punkt, was ich langsam beginne, über das Pokern zu verstehen. Gewinnen oder verlieren sind auch nur Begriffe, die wir uns über die Zeit angeeignet haben, um uns mit anderen vergleichen zu können. Unsere Gesellschaft ist auf Ergebnisorientierung ausgerichtet und durch unser Leben und unsere Erziehung haben die meisten von uns diese Orientierung sehr tief verinnerlicht. Bewusst oder unbewusst verbringen wir die meiste Zeit des Lebens nun damit, uns mit anderen zu vergleichen und die daraus gewonnenen Urteile in dieses Wertesystem zu zwängen. Ob nun jemand in der Schule eine 5 schreibt und von den Mitschülern als „Looser“ geflamet wird, oder der Chef die „Fehler“ eines Mitarbeiters als die Taten eines Idioten hinstellt. Alles entspringt diesem Grundgedanken. Beobachten, vergleichen und dann „verurteilen“.

Ich will das ganze hier nicht noch weiter ausführen. Aber im Prinzip haben wir eine Schablone im Kopf, wie wir alle sein sollten und beurteilen am laufenden Band alles und jeden nach diesem Muster. Das niemand an dieses Ideal heranreichen kann, ist das eigentliche Problem an der Sache. Niemand macht immer alles richtig, niemand ist immer der Sieger. Das weiß Jeder, aber danach zu leben haben wir scheinbar verlernt. Und so erwarten wir von uns und den anderen immer das Optimum.

Für mich zählen diese Ansichten in der Zwischenzeit zu den negativen Gedanken. Gedanken, die ich gerne nicht mehr denken möchte. Ich will keine automatischen Urteile mehr, über mich oder meine Mitmenschen, fällen. Ich möchte Wertneutral denken lernen!

Auf das Pokern bezogen bedeutet das, wie so viele es schon geschrieben haben, das es nicht auf das Ergebnis ankommt, sondern nur auf die korrekten Entscheidungen. Hier habe ich bisher immer zu Ergebnisorientiert gedacht. Und dabei wohl einen Realitätsverlust erlitten. In der Annahme, dass ich eben deutlich mehr Gewinne einfahren müsste, habe ich tatsächlich übersehen, dass ich Gewinne mache. Und vor diesem neuen Hintergrund werde ich von nun an zwar weiter an meinem Spiel arbeiten, aber nicht mehr daran zweifeln, dass ich es schlagen kann.

Wenn ich mich ohne Druck und ohne mich selbst bei schlechten Entscheidungen als Verlierer zu sehen, einfach nur auf das Spiel konzentriere, dann wird alles andere von ganz allein laufen.
Nebengedanke:
Eigentlich gibt es im Pokern keine Gewinner oder Verlierer im klassischen Sinn. Denn dazu müssten wir alle die selbe Definition für diese Begriffe haben. Wenn nun ein ultralooser Maniac seine Chips andauernd in die Mitte schiebt und dabei seine BR verkleinert, dann mag er für viele ein Verlierer sein. Aber wenn sein Ziel in diesem Spiel ist, Spass zu haben und es ihm dabei nicht darauf ankommt, wie viel ihm dieser Spass kostet, ist er eben auch ein Gewinner. Und derjenige, der Erwarungswertmaximiert spielt und dennoch am Ende der Session weniger Chips in der BR hat, als davor, ist dennoch kein Verlierer, wenn er die für ihn richtigen Entscheidungen getroffen hat.

In diesem Sinne. Gutes Blatt und die „richtigen“ Entscheidungen
wünscht euch
MeiBra

2 Comments:

At 16:55, Blogger WanderBert said...

Hallo MeiBra,

was soll ich groß dazu sagen. Ich find deine Gedanken gut, wenn nicht sogar " den Nagel auf den Kopf getroffen". Schön mal sowas von jemand anderen zu lesen...

Ich hab es seit mehr als 2 Jahren nicht geschafft, mich höher als NL10 BSS oder SSS zu etablieren. Sei es aus welchen Gründen auch immer. Demnach bin ich definitiv ein Verlierer für viele. Trotz allem macht mir das Spiel ansich Spass und ich seh es als Möglichkeit, nebenbei ein "paar" Dollar zu machen. Das diese "paar Dollar" weit von dem entfernt sind, was eine Zeit/Nutzen Rechnung rechtfertigen würde, ist zwar bedauerlich, doch konnte ich für mich durchaus das ein oder andere leisten, was mir sonst verwehrt geblieben wäre. Ein schönes Wochenende in Hamburg mit meiner Freundin war mir im nach hinein monatelanges Grinden auf den Micros wert...für mich war ich dadurch ein Gewinner.

Letzten endlich ist es ja wirklich so, das wir dieses Denken schon in die Wiege gelegt bekommen, geht man andere Wege steht man oft genug im Abseits. Jeder muss halt für sich selbst das optimum finden, ob er mitten im Strom mit schwimmt oder lieber seitlich etwas langsamer.

Toller Beitrag und viel Glück weiterhin...

 
At 19:57, Anonymous Pokertisch said...

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur persönlichen Freiheit. Weiter viel Glück.

 

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