Donnerstag, Juni 29, 2006

Dem Ärger auf der Spur

Der Kopf ist wieder klar, der Zorn verraucht und die Wut konnte der BR auch keinen großen Schaden zufügen. Zeit zu überdenken, was los ist.
Ok, ich ärgere mich also. Ich ärgere mich, dass es beim Pokern nicht läuft. Das ich andauernd Pech habe. Mehr als alle anderen. Das ich nicht so schnell voran komme, wie die anderen. Das ich auf der Stelle trete. Das ich nicht weis, ob ich überhaupt richtig spiele. Das meine Erwartungen enttäuscht werden. Hmm... Das ist jede Menge Ärger. Das ist soviel Ärger, das er mich blind machen könnte. Und es ist definitiv zu viel Ärger, für ein so simples Spiel.
Gehen wir der Sache also mal auf den Grund.
Es läuft beim Pokern also nicht? Wie definiert man „nicht laufen“? Ich verliere! Das tun alle. Genau genommen muss jemand verlieren, damit ein anderer gewinnt. Verlieren gehört also zum Spiel. Wie oft müsste man wohl gewinnen, damit man sagen kann, das es läuft? Bei so einem Spiel um Chancen, würde ich meinen, dass man +EV laufen könnte, wenn man mehr als die Hälfte seiner Sessions gewinnt. Dies ist natürlich sehr einfach ausgedrückt und schließt längst nicht alle Faktoren mit ein, aber wenn ich mir meine Stats anschaue, dann sind das die Stats, die für WinningPlayer gelten. Ich gehe so oft zum SD, wie es optimal erscheint. Ich gewinne die nötige Anzahl an Händen, wenn ich den Flop gesehen habe. Ich gewinne mehr als die Hälfte meiner Sessions. Und ich liege nach 6K Händen bei 2BB/100 im Plus. Allen einschlägigen Artikeln zum Thema Stats nach, liege ich genau in den zu Erwartenden Werten. Und zwar nicht knapp, sondern schön mittig. Egal, was ich da auch spüre, es läuft genau so, wie eine Vielzahl von Experten es für Wahrscheinlich hält. Was also bitte soll da heißen, es läuft nicht?
Damit dürften die Punkte „andauernd Pech“ und „mehr Pech als andere“ eigentlich gleich mit abgehackt sein. Denn es sieht nicht danach aus, als würde ich über Gebühr viel Pech haben. Die Stats geben da eine andere Auskunft. Egal was meine subjektive Wahrnehmung mir da auch vorgaukeln mag.. Es läuft, wie es zu erwarten wäre. Nicht besser, aber auch nicht schlechter.
Bleibt noch „ich komme nicht schnell genug voran“. Jo, es geht mir zu langsam. Aber wenn es schneller gehen würde, dann nur durch sehr viel Glück. Reines Pures Glück, bringt es zu Wege, dass man schneller als erwartet ans Ziel kommt. Egal wie sehr da der Einzelne auch glaubt, dass er besser spielt, als der Rest der Meute. Liegt er deutlich über den erwarteten Werten, dann ist Glück daran zu einem großen Teil beteiligt. Und früher oder später, wird auch dort die Varianz Einzug halten und den Erfolg mehr in Richtung Erwartungswert drücken.
Die Punkte „auf der Stelle treten“ und „spiele ich überhaupt richtig“ sind auch so Fälle von Selbsttäuschung. Erstens geht es selbstverständlich voran, denn schließlich spiele ich ja regelmäßig und nicht zu spielen, wäre die Grundvoraussetzung für Stagnation, dicht gefolgt von nicht lernen. Und auch das tue ich. Ich beschäftige mich täglich mit der Theorie und überdenke mein Spiel laufend. Also alles gute Voraussetzungen für weitere Erfolge. Plateaus gehören zum Lernen dazu. Irgendwann kommt dann der nächste Schub und man erreicht die nächste Stufe auf dem Weg zur Meisterschaft. Das ich nicht alle Hände „richtig“ Spiele ist vollkommen klar. Den einzigen richtigen Weg gibt es ohnehin nicht, oder nur so theoretisch, das er nicht gangbar wäre. Solange Pokern ein Spiel mit unvollständigen Informationen ist, bleibt das auch so. Bis zu einem bestimmten Grad tappen wir alle im Dunkeln, wenn es darum geht, wo wir in einer Hand stehen. Hier hilft halt nur Erfahrung und Wissen weiter. Und beides eigne ich mir an. Also, ich bin auf dem Weg.
Zu guter Letzt kommen enttäuschte Erwartungen. Tja, das darf man hoffentlich wörtlich nehmen. Ich habe also Erwartungen gehabt. Und die Täuschung ist nun vorüber. Den ich habe zuviel erwartet. Ich habe kein übermäßiges Talent. Im Gegenteil, ich tue mich oftmals sehr schwer damit, die verschiedenen Komponenten einer Hand richtig zu gewichten. Ich muss mich sehr mühen, um ein tiefer gehendes Verständnis zu erlangen. Und mir fällt er schwer zu glauben, dass Menschen innerhalb von 4 Wochen, die komplette Theorie des Pokerns verstanden haben und nun als WinningPlayer unterwegs sind und keine signifikanten Fehler mehr begehen.
Ich habe also weder ein Übermaß an Talent, noch Unmengen von Glück. Ich spiele demzufolge, wie es für einen normalen Sterblichen möglich ist. Folglich sollte ich auch nicht mehr erwarten, als für den Durchschnittspieler zu erwarten ist.
Erwarte ich nicht mehr, dann brauche ich mich auch nicht ärgern, solange ich in der Toleranz liege. Und dort befinde ich mich, also Schluss mit Ärger. Schluss mit zu hohen Erwartungen. Zurück zu den Momenten, in denen das Spiel Spaß macht. Und das große Geld mit Pokern nicht mehr als Erwartungshaltung sondern höchstens noch als Wunsch mit sich rum tragen. „Wenn sich der Wunsch erfüllt, ist es schön – wenn nicht…
macht’s auch nichts“ – das wäre eine gesunde Einstellung. Und um die werde ich mich in Zukunft verstärkt bemühen.